Im Mai 2019 hatte bereits der Europäische Gerichtshof anlässlich der Vorlage eines spanischen Gerichts entschieden, dass Arbeitsschutz nur dann gewährleistet ist, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer ordnungsgemäß durch ein objektives, verlässliches und zugängliches System erfasst, EuGH Urt. v. 14.05.2019, Az. C-55/18, sog. “Stechuhr-Entscheidung”.
Diese Entscheidung wurde nunmehr im September 2022 vom Bundesarbeitsgericht auf nationaler Ebene aufgegriffen und konkretisiert. Entgegen der überwiegenden Stimmen, wonach die Entscheidung des EuGH im Mai 2019 für das Arbeitsrecht in Deutschland noch keine unmittelbaren Folgen hätte und es vielmehr erst einer Umsetzung in ein nationales Gesetz bedürfe, hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Beschluss vom 13.09.2022 nunmehr klargestellt, dass die Arbeitszeit auch ohne entsprechendes Gesetz zu erfassen sei. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt dabei nicht erst seit dem Beschluss des BAG, sondern schon immer und ergibt sich unmittelbar aus den Regelungen zum Arbeitsschutz. Folglich hat jeder Arbeitgeber die Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer durch ein ordnungsgemäßes Zeiterfassungssystem zu dokumentieren.
Wie die Zeiterfassung erfolgt obliegt dabei dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss lediglich gewährleisten, dass die geleistete Arbeitszeit durch ein verlässliches, objektives und nachvollziehbares System erfasst und dokumentiert wird. Dies muss nicht elektronisch erfolgten. Vielmehr kann auch nach wie vor der händische Stundenzettel geführt und abgeheftet werden. Bei der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems – sprich bei dem “Wie”- hat dann auch der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Betriebsverfassungsgesetz.
Die Vertrauensarbeitszeit bleibt dabei, so das BAG, nach wie vor möglich. Allerdings nur soweit es um die frei Einteilung der Arbeitszeit als solche gilt. Die geleiteten Arbeitszeiten müssen auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit unter Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes und der geltenden Ruhezeiten ordnungsgemäß dokumentiert werden.
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist zunächst nicht Bußgeld bewehrt und bedarf einer vorherigen konkreten Anordnung durch die Behörde. Sollte der Gesetzgeber jedoch die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung doch noch konkret normieren, ist davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang auch Sanktionen verhängt werden.