Am 24.01.2023 hat der Bundesgerichtshof erneut zu Gunsten der Verbraucher in Sachen Prämiensparen entschieden und zum wiederholten Male die Verbraucherrecht gestärkt, Urteil vom 24.01.2023, Aktenzeichen – XI ZR 257/21.
Der Entscheidung liegt das Musterfeststellungsurteil des OLG Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen vom 31.03.2021, Aktenzeichen 5 MK 2/20 zugrunde.
Sachverhalt des Musterfeststellungsverfahrens vor dem OLG Dresden und bisheriger Prozessverlauf:
Seit Anfang der 1990er-Jahre schloss die hier beklagte Sparkasse mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den gegenständlichen Prämiensparvertragsformularen heißt es u.a.: “Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst.” oder ” Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. …%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres (…).” Weiter heißt es in den jeweils einbezogenen “Bedingungen für den Sparverkehr” zu den Sparverträgen: “Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.”
Diese Klauseln wurden vom Musterkläger als unwirksam erachtet und im Rahmen eines Musterfeststellungsverfahrens beim OLG Dresden vorgebracht, nachdem die Sparkassen die Prämiensparverträge der Reihe nach aufgekündigt hatten und die ausbezahlten Prämien- und Zinsbeträge aus Sicht der Verbraucher fehlerhaft und viel zu niedrig berechnet wurden. Im Rahmen des Musterfeststellungsverfahrens verfolgte der Musterkläger diverse Feststellungsziele, mitunter die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten , die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.
Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes weiter.
Der BGH hat nunmehr erneut zu Gunsten der Verbraucher entschieden, das Musterfeststellungsurteil des OLG Dresden aufgehoben und verweist das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das OLG Dresden:
In der Pressmitteilung des BGH vom 24.01.2023 heißt es u.a.:
” (…) Das Oberlandesgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen sind nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schließen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus. Da das Oberlandesgericht – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, wird es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes wird das Oberlandesgericht außerdem zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt.
Nach der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung ist bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten. Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziert, verstößt nicht gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, weil die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen hat.
Das Oberlandesgericht wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers betreffend den Referenzzinssatz zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz zu bestimmen haben. Dabei wird es zu bedenken haben, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten dann verwertet werden kann, wenn es in einem anderen Gerichtsverfahren eingeholt worden ist.”
Auch ich bin derzeit mit derartigen Verfahren befasst und vertrete betroffene Verbraucher sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich in Sachen “Prämiensparvertrag” bei der individuellen Durchsetzung ihres Anspruchs auf Zinsnachberechnung.
Sollten auch Sie einen Prämiensparvertrag abgeschlossen haben, berate ich Sie gerne und unterstütze Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Die Kosten werden in der Regel sogar von einer entsprechenden Rechtsschutzversicherung übernommen. Dies ist jedoch im Einzelfall zu prüfen und mit der jeweiligen Rechtsschutzversicherung im Vorfeld abzustimmen. Für Fragen stehe ich Ihnen jederzeit, gerne auch telefonisch, zur Verfügung!